Begehung Bahnhofstraße: Chance für umweltfreundliche Planung vertan!

Die Grüne Fraktion nutzte die Winterferien, um sich die geplante Umgestaltung der Bahnhofstraße genauer anzuschauen. Mit sechs Millionen Euro aktueller Baukosten, davon einer halben Million Euro für einen 30-m-Kreisel, Tendenz steigend, soll hier eine „Prachtstraße“ gebaut werden. Mit der Bahnhofstraße haben sich in der Vergangenheit schon etliche Gutachten beschäftigt. Das Verkehrsgutachten von IMB Plan (2017) machte Vorschläge zur Entlastung des südlichen Westerfelder Weges. Das Nahmobilitätskonzept Bahnville (2010) hatte als Leitgedanken entlang der Bahnhofstraße breite Fußwege, mindestens 2,50 m. bzw. bei Schüler*innenströmen sogar 3 m vorgeschlagen. Und im aktuellen Nahmobilitätskonzept (2023) der Stadt Usingen wird zudem auf die besonders hohe Bedeutung hinsichtlich der Erreichbarkeit des Bahnhofs – sowohl im Fuß- und Radverkehr als auch im ÖPNV – verwiesen. Außerdem wurde auf die „unterdimensionierten Gehwege von 1,60 – 2,2 m hingewiesen.

„Die aktuelle Planung der Bahnhofstraße sieht hier keine Verbesserungen vor“, stellt die Grüne Fraktionsvorsitzende Ellen Enslin ernüchtert fest.

Bei einer Begehung mit Fraktionskollegin Susanne Weinreich wurde das grundsätzliche Manko dieser Planung noch einmal deutlich: Es gibt keine Prioritätensetzung für den Zufuß- und Radverkehr, denn es sollen keine Abstriche für den Autoverkehr gemacht werden. „Der vorhandene Platz in der Bahnhofstraße ist nicht ausreichend, um allen Wünschen zu entsprechen. So sind viele Parkplätze geblieben, die durch ihre Ausrichtung eine hohe Gefahr bedeuten. Durch das sogenannte Dooring, sprich sich plötzlich öffnende Autotüren, sind Radfahrer*innen gefährdet. Zudem müssen Radfahrende einen Sicherheitsabstand von einem Meter zu parkenden Autos einhalten.“

Auch die Fußwege sind mit teilweise 1,60 m viel zu schmal, besonders wenn die Schüler*innen vom Bahnhof zu den Schulen gehen. Dafür gibt es gleich daneben für die PKW Parkplätze von 2 m-Breite. Anstatt ein Gehwegpflaster mit farblichem Kontrast zur Straße zu wählen, wurde ein Altstadtpflaster ausgesucht. So ist vorprogrammiert, dass Autos auch den Gehweg als Parkfläche nutzen, wie dies in vielen Usinger Stadtgebieten leider Praxis ist.

„Dass der ursprünglich geplante Schutzstreifen für Radfahrende wegfällt, begrüßen wir ausdrücklich. Schon bei der ersten Vorstellung der Planung hatten wir kritisiert, dass er den Radverkehr durch eine gestrichelte Linie zwar abtrennt, aber eine Sicherheit suggeriert, die

es nicht gibt. Denn Radfahrer*innen sind mit Schutzstreifen nicht vom Autoverkehr geschützt,“ so Enslin. Entgegen der landläufigen Meinung bietet ein Schutzstreifen für Radfahrer*innen nicht mehr Sicherheit, denn hier dürfen sogar PKW drüberfahren. Im Gegensatz zum Radfahrstreifen. Hier dürfen Autos weder halten noch parken und der Radweg muss von Radfahrer*innen genutzt werden. Oft ist er auch farblich noch abgesetzt und hat eine durchgezogene Linie. Allerdings wird in Tempo 30-Bereichen zunehmend dazu übergangen, auf Radwege zu verzichten bzw. diese sogar zurückzubauen.

„Es hätte bei dieser Straßenplanung auch die Chance gegeben, von den Gebäudekanten hin zur Straßenmitte zu planen. So hätten z. B. Fußgänger*innen mehr Platz gehabt und die sichere Fortbewegung zu Fuß hätte ausreichend Berücksichtigung gefunden,“ gibt Susanne Weinreich zu bedenken.

Gerade mit der umweltfreundlichen Mobilität geht eine Verbesserung der Aufenthalts- und Wohnqualität einher. Da wäre mehr möglich gewesen, anstatt einer autogerechten Straße.

In Zeiten des Klimawandels bedarf es einer besonderen Pflanzenauswahl z. B. einer regionalen Wildpflanzenaussaat, um mehr Blütendichte und ein vielfältiges Blühangebot zu bieten. Anstatt heimischen Pflanzen und Gehölze konsequent den Vorzug zu geben, wurden etliche invasive Arten in die Pflanzliste aufgenommen, z. B. Kugel- und Säulen-Amberbaum oder die Zierkirsche. An einheimische Pflanzen und Gehölze haben sich die hiesigen Vögel, Säuger und Insekten angepasst. Exoten sind dagegen oft als Nahrung nicht nutzbar. Ähnlich sieht es bei der Rosenauswahl aus. Anstatt insekten- und bienenfreundliche Sorten mit ungefüllten Staubgefäßen zu nehmen, sollen Rosen mit gefüllten Staubgefäßen gepflanzt werden. Diese sind aber nicht insektenfreundlich, dazu sehr pflegeaufwendig und brauchen zudem viel Wasser. Dies gilt auch für die Bauernhortensie. Hinzu kommt, die gemeinsame Pflanzung von Rosen und Lavendel erscheint uns problematisch, da unterschiedliche Bodenqualitäten benötigt werden.

Was aber besonders betrübt, mehrere wertvolle Bäume mit einer kleinen Grünfläche sollen dem Kreisel zum Opfer fallen: für fünf bis sechs Sekunden Zeitersparnis! „Auf der einen Seite wird immer wieder die Wichtigkeit von Bäumen für den Klimaschutz bei Foto- und Pflanzterminen postuliert. Sogar teure Patenschaften an die BürgerInnen werden verkauft, um Bäume im Wald zu sichern,“ bemerkt Ellen Enslin kritisch an.

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