Herr Stadtverordnetenvorsteher, meine Damen und Herren!
Mit der Vorlage zur Gründung einer Stromnetzgesellschaft haben wir viel Papier erhalten. 10 Seiten Beschlussvorlage und dann noch einmal die Vertragsunterlagen für sechs Verträge, denen wir heute zustimmen sollen.
- Konsortialvertrag
- Gesellschaftsvertrag der Netzgesellschaft Hochtaunuskreis-Usinger Land-Verwaltungsgesellschaft mbH
- Gesellschaftsvertrag der Netzgesellschaft Hochtaunuskreis-Usinger Land GmbH & Co. KG
- Kaufmännischer Betriebsführungsvertrag
- Netzkaufvertrag
- Pachtvertrag
Also keine leichte kommunalpolitische Kost, sondern ein hochkomplexes Vertragswerk und in einem stark regulierten Energiemarkt.
Deshalb haben wir uns in der Fraktion sehr intensiv mit dem Thema auseinandersetzt, an den Informationsveranstaltungen teilgenommen, uns mit Fachleuten ausgetauscht, z. B. vom Goldenen Grund und eigens dazu eine Fraktionsklausur gemacht.
Auch wenn den Bürgermeister unsere Fragen erstaunen, dann gehört zur Wahrheit dazu, dass wir in dieser Tiefe das Thema erst seit 2017 bearbeiten. Bis zum Zeitpunkt der Informationsveranstaltung in Neu-Anspach sah es gut aus, denn wir hatten die Hoffnung, dass viele Nachbarkommunen dabei sind.
So haben wir Grüne im weiteren Prozess die Gründung einer Stromnetzgesellschaft ergebnisoffen mitbegleitet.
Nun haben die meisten Kommunen ihre Entscheidung gegen eine Stromnetzgesellschaft getroffen, und das hat erhebliche Auswirkungen:
Wir haben veränderte Bedingungen und müssen mehr Kapital einbringen: Der Kaufpreis erhöht sich auf 1.037.000 € und der voraussichtliche Gewinn hat sich auf 34.300 € reduziert!
Darüber wollten wir gerne im Juli, in der nichtöffentlichen Videokonferenz diskutieren. Zuvor hatten wir dazu etliche Fragen eingereicht, die allerdings nicht in der Veranstaltung, sondern erst danach beantwortet wurden. Daher sahen wir keine Veranlassung, noch weitere Fragen zu stellen. Es hat uns aber schon irritiert, dass es nie die Möglichkeit gab, offen aus der Usinger Perspektive unabhängige Expert*innen zu fragen. Auch kommunale Partner haben eine unterschiedliche Ausgangsbasis. Hinzu kommt, dass die SÜWAG, die auch den Businessplan gemacht hat, als potenzieller Vertragspartner immer mit dabei war.
Die Antworten auf unsere Fragen haben nicht die notwendige Klarheit gebracht. Deshalb mussten wir im HFA wieder Fragen stellen, die dort aber nicht beantwortet werden konnten, sondern wieder später schriftlich beantwortet wurden. Uns reicht es als Antwort eben nicht aus, dass Usingen durch den Netzkauf einen erheblichen Einfluss auf mögliche Investitionen in das Stromnetz hat.
Das hinterfragen wir schon, weil es eben nicht so einfach ist. Etliche Faktoren müssen geprüft werden, damit es bei einem zu teuer erkauften Stromnetz kein böses Erwachen gibt.
So braucht es eine individuelle, sorgfältige und wirtschaftlich solide Überprüfung der Chancen und Risiken. Die haben wir vermisst und mehrmals angefordert. Lapidar zu schreiben, der Kredit wird über die Einnahmen der Nutzungsgesellschaft finanziert, reicht eben nicht aus!
Ein komplexes Unternehmenskonstrukt, dass zu erheblichen Transaktionskosten führen wird. Zwar wird die Haftung einerseits durch die GmbH & Co. KG minimiert, das hat allerdings zur Folge, dass die Gesellschaft erhöhte Kreditkosten zahlen muss und dies den Gewinn schmälert. Leider haben wir keine Antwort erhalten, welche Kosten sich konkret ergeben. Allerdings wissen wir jetzt, dass auch die Vergütung des Aufsichtsrates dazu gehört!
Außerdem gibt dieses Parlament auch ein Stück Kontrolle ab! Weniger Transparenz, durch die nichtöffentlichen Aufsichtsräte!!
Auch die Vertretung in den diversen Aufsichtsräten ist unserer Meinung keine gute Regelung für Usingen. Bei einem Verhältnis von 70 zu 30 wird eine paritätische Besetzung vorgeschlagen. Wir bringen mehr als das Doppelte an Eigenkapital ein, haben aber keinen zusätzlichen Einfluss daraus.
Auf unsere Nachfrage nach der Investitionsplanung wurde allgemein mit dem Hinweis auf 150 T€ geantwortet. Nun ist es so, dass im Businessplan der SÜWAG immerhin auf Investitionskosten von 500 T€ verwiesen wird. Welche Zahl gilt denn jetzt? Was sind hiervon Ersatz- und was sind Neuinvestitionen? Diese Frage bleibt offen.
Angeblich soll die Stadt Einfluss auf die Investitionen ins Netz nehmen können. Dazu gibt es einen Passus im Konsortialvertrag: wenn Maßnahmen von der Syna abgelehnt werden, müssen die Kommunen einen finanziellen Ausgleich schaffen. Außerdem sehen die Verträge keine Regelung vor, wenn unter den Kommunen kein Einvernehmen besteht. Da ist der Ärger doch schon vorprogrammiert!
Auffällig ist, dass die Beschlussvorlage die städtische Seite mit der Kreditaufnahme völlig außer Acht lässt. Was nützen 3,2% Eigenkapitalrendite in der Netzgesellschaft, wenn die Kapitaldienstkosten des städtischen Kredites deutlich darüber liegen!
In der Beispielrechnung werden diese über einen Zeitraum von 40 Jahren mit einem Zinssatz von 1% auf eine Kapitaldienstleistung von 33 T€ schön gerechnet, um noch unter dem Gewinn von 34.300 € zu bleiben. Bei einer Laufzeit nach der Afa-Tabelle des Bundesfinanzministeriums haben wir eine Nutzungsdauer von 25 Jahren genommen. Hier reichen die Gewinne aus der Netzgesellschaft von 34.300 € nicht aus, um die knapp 47 T€ Kapitalkosten zu erzielen.
Aber das größte Manko dieser Vorlage ist, dass uns bis heute keine vollumfängliche Risikobetrachtung vorliegt. Auf die Frage nach einer Risikobetrachtung erhalten wir doch glatt die Antwort, dass der Businessplan bis 2032 von der SÜWAG vorliegt. Das ist mehr als abenteuerlich. Ferner haben wir keine Antwort erhalten, wie mit möglichen Verlusten der Netzgesellschaft umgegangen werden soll, und welche zusätzlichen Kosten noch auf den städtischen Haushalt zukommen könnten.
Die Stadt geht mit einer wirtschaftlichen Betätigung von über 1 Mio. € Investition Risiken ein. Die sollten wir doch wenigstens kennen und dann entscheiden. Auch wurde nicht einmal andiskutiert, warum denn die anderen Kommunen nicht mehr dabei sind!
Es fehlt ein belastbarer Businessplan und eine vollumfängliche Risikobetrachtung, eine Risikoanalyse, die auch nach der HGO § 121 gefordert ist.
Die positive Rendite der Netzgesellschaft gilt nur für die Gesellschafterebene. Das benötigt EK von über 1 Mio. Euro muss kreditfinanziert werden. Hier kann es zu Defiziten kommen.Ein möglicher weiterer hoher Kapitalbedarf für Investitionen ins Stromnetz wird vernachlässigt. Reichen die angenommenen Investitionskosten aus? Wir wissen, um die Netze für die Zukunft fit zu machen braucht es enorme Investitionen.
- Die positive Rendite der Netzgesellschaft gilt nur für die Gesellschafterebene. Das benötigt EK von über 1 Mio. Euro muss kreditfinanziert werden. Hier kann es zu Defiziten kommen.
- Ein möglicher weiterer hoher Kapitalbedarf für Investitionen ins Stromnetz wird vernachlässigt. Reichen die angenommenen Investitionskosten aus? Wir wissen, um die Netze für die Zukunft fit zu machen braucht es enorme Investitionen.
- Für den Ausbau der Elektromobilität
- Extremwetterereignisse oder Cyberattacken gefährden die Netzsicherheit und Verfügbarkeit. Hier müssen Stromnetze als kritische Infrastruktur besonders beachtet werden.
- Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Integrierung von virtuellen Kraftwerken ist zu berücksichtigen.
- Das Zinsänderungsrisiko bei 40 Jahre Laufzeit des kommunalen Kredits wird ausgeblendet.
- Eine zu weitgehende Zersplitterung des Netzes kann ineffizient sein
- Daneben gibt es Umfeld- und Regulierungsrisiko, die berücksichtigt werden müssen.
- Die Stadt Usingen hat keinerlei Expertise im Stromnetzbetrieb. Sie ist immer anhängig von der Syna.
- Sonstige unternehmerische Risiken, die durchaus eintreten können.
Das Zinsänderungsrisiko bei 40 Jahre Laufzeit des kommunalen Kredits wird ausgeblendet.Eine zu weitgehende Zersplitterung des Netzes kann ineffizient seinDaneben gibt es Umfeld- und Regulierungsrisiko, die berücksichtigt werden müssen.Die Stadt Usingen hat keinerlei Expertise im Stromnetzbetrieb. Sie ist immer anhängig von der Syna.Sonstige unternehmerische Risiken, die durchaus eintreten können.
Dass uns Verträge vorliegen, in denen weder Kaufpreis noch die Größe der Aufsichtsräte benennen, ist da schon eine kleine Petitesse. Aber um den Vertragsgegenstand besser einschätzen zu können, hätten wir schon gerne gewusst, über wieviel km Stromnetz reden wir denn.
Dass der Bürgermeister aber über unsere Nachfragen im Ausschuss erstaunt war und uns vorwirft, uns in den Informationsveranstaltun-gen nicht genügend eingebracht zu haben, ist schon starker Tobak. Fehlende oder verwirrende Informationen haben uns doch dazu veranlasst, weitere Fragen stellen zu müssen.
Es ist Aufgabe der Politik, besonders der Opposition, solche wichtigen Entscheidungen zu hinterfragen!
Auf dieser ungenügenden Informationsgrundlage können wir dem Stromnetzkauf nicht zustimmen!!
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